Babys sind kleine Forscher, Netzwerker und lernen schneller als wir Erwachsenen es jemals wieder tun werden. Unbeeindruckt von gesellschaftlichen Normen, negativen Glaubenssätzen oder Statusstreben geben sie uns wichtige Lektionen über intuitive Führung, klare Kommunikation und gesundes Selbst-Management. Babys geben direktes Feedback ohne Hidden Agenda. Sie spiegeln die Gefühle des Gegenübers und wir lernen daraus, dass vor allem emotionale Intelligenz entscheidend ist – und wir gut daran tun, diese als tragende Säule des New Leadership anzuerkennen. Sie entscheiden zügig, handeln schnell und streben danach, über sich hinauszuwachsen – sie verkörpern die Vorwärtsgewandtheit, die für ein agiles Growth-Mindset essenziell ist.
Das “Babyprinzip” ist ein Modell, mit dessen Hilfe sich Learnings für erfolgreiches Management aus kindlichen Verhaltensweisen ableiten lassen: Es erinnert uns an das, was wir alle schon einmal intuitiv richtig gemacht haben. Dabei geht es nicht darum, dass Führungskräfte sich wie Babys verhalten sollen. Vielmehr werden Babys zur Metapher für grundlegende menschliche Kompetenzen, die in der modernen Arbeitswelt oft verlorengehen.
1. Wo fangen wir an? Die Kategorien kindlichen Verhaltens
Wollte man alle Eigenschaften von Babys ins Management übertragen, braucht es ein strukturiertes Modell. Ein Modell, das kindliches Verhalten in all seinen Facetten ernst nimmt, interpretiert und daraus Learnings ableitet, die im Unternehmensalltag funktionieren. Denn Babys agieren auf den ersten Blick nicht nach tradierten Management-Prinzipien – aber gerade darauf kommt es an: Sie lernen durch starke Emotionen, durch Versuch und Irrtum, durch Bindung und Interaktion, durch Impulsivität und Beharrlichkeit. Warum also nicht all diese Aspekte als wertvolle Impulse für Unternehmen nutzen? Genau das war mein Ansatz, als ich “Das Babyprinzip” entwickelte: ein Modell, das Führungskräfte inspiriert, Wachstum, Motivation und Teamführung aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Die Ausgangsbasis für das Babyprinzip: Das riesige Spektrum an Verhaltensweisen, das Babys in ihrer Entwicklung voranbringt. Um daraus ein praxistaugliches Modell für gute Führung abzuleiten, habe ich die wichtigsten Eigenschaften zunächst in fünf übergeordnete Kategorien eingeteilt:
- Kommunikation & Ausdruck (Weinen, Lächeln, Schreien, Blickkontakt)
- Motivation & Lernen (Neugier, Ausprobieren, Wiederholen)
- Emotion & Beziehung (Bindung, Bedürfnis nach Nähe, Frustrationstoleranz)
- Verhalten & Wille (Sturheit, Trotz, Impulsivität)
- Körper & Rhythmus (Schlaf, Hunger, Bewegung, Sinnlichkeit)
2. Was bedeutet das für Unternehmen? Analyse und Interpretation
Der zweite Schritt: aus den genannten Eigenschaften, auch aus den vermeintlich “störenden”, echte Impulse für die Arbeitswelt ableiten. Die zentrale Frage: Was können Unternehmen wann und wie von Babys lernen? Folgende Beispiele verdeutlichen, wie sich kindliches Verhalten auf die Arbeitswelt übertragen lässt und welche Learnings daraus entstehen:
Weinen = Bedürfnisse äußern
Was hat ein weinendes Baby mit guter Führung zu tun? Auf den ersten Blick nichts, auf den zweiten eine ganze Menge. Denn: Babys sind Meister darin, ihre Bedürfnisse ehrlich zu kommunizieren – denn vor dem Weinen passiert ganz viel und diese Anzeichen lernen Eltern schnell, seien es bestimmte Gestiken, oder Mimiken. Was wir daraus für die Arbeitswelt lernen: Empathie und echte Verbindung mit den Mitarbeitenden lässt Führungskräfte schnell erkennen, wenn etwas im Team oder bei einzelnen Team-Mitgliedern nicht stimmt – und zwar bevor es zur inneren oder der tatsächlichen Kündigung kommt (im übertragenen Sinne: zum Weinen). Und: Führungskräfte sollten auch ihre eigenen Bedürfnisse rechtzeitig und klar äußern. Denn: Eine gelebte und offene Feedbackkultur verbessert die Effizienz und die Dynamik im Team.
Sturheit = Fokus auf das Ziel
Baby und Kleinkinder wollen oft buchstäblich mit dem Kopf durch die Wand. Hinter dem, was wir Erwachsenen als Trotzreaktion oder Sturkopf interpretieren, steckt fast immer eine Vision, die das Kind unter allen Umständen erreichen möchte: Sei es, den Löffel noch einmal vom Hochstuhl zu schmeißen, um zu sehen, wie tief er fällt, weg zu krabbeln, um einen interessanten Gegenstand näher zu betrachten oder zum fünften Mal das Lieblingsbilderbuch durchzublättern. Kurz: Kinder und vor allem Babys behalten ihr Ziel im Blick und lassen sich selten davon abbringen – eine Strategie, die auch in der Arbeitswelt zum Erfolg verhilft!
Impulsivität = Handlungsenergie So gut wie alles, was Babys tun, erfolgt impulsiv und aus einem starken Bedürfnis heraus. Das macht sie zu wahren Energiebündeln. Haben Sie einen Impuls, folgen sie, lassen sich nur selten davon abbringen, handeln intuitiv und bleiben hochmotiviert. Diese Handlungsenergie kann gerade im Job in herausfordernden Situationen von Vorteil sein: Etwa während einer akuten Krise oder wenn es darum geht, ein Start-up zu gründen und von zahlreichen Überlegungen endlich ins Handeln zu kommen.
Schlafbedürfnis = gesunder Rhythmus Babys und Kleinkinder fordern Schlaf und feste Routinen regelrecht ein. Immerhin sind sie die Grundlage für eine gesunde körperliche und mentale Entwicklung. Gleiches gilt für Eltern: Guter Schlaf und ein Tag, an dem alles funktioniert, sorgt für Stimmungshochs, was sich wiederum auf das Baby überträgt. Auch für Teams in Unternehmen gilt: Sind Führungskräfte und Arbeitnehmende überlastet, wirkt sich das auf alle aus. Das bedeutet: Schlaf und eine ausgewogene Work-Life-Balance sind essenziell für gute Führung. Hinzu kommt die Vorbildfunktion von Führungskräften. Wer Selbstfürsorge fördert und vorlebt, profitiert von einem effizienten, kreativen und positiven Team-Spirit.
Bindung = Vertrauen aufbauen Wie Babys Bindung als Grundlage brauchen, um die Welt zu erkunden und zu selbstbewussten Charakteren heranzuwachsen, brauchen Mitarbeitende psychologische Sicherheit, um kreativ zu arbeiten, mutig zu sein und sich weiterzuentwickeln. Führungskräfte setzen genau an dieser Stelle an und zeigen Mitarbeitenden, dass sie ihnen vertrauen: Durch neue Aufgaben, ein respektvolles Miteinander und der Möglichkeit, sich an Neuem auszuprobieren und daran zu wachsen.
3. Ambivalenz zulassen? Ungenutztes Potenzial entfalten
Übertragen wir das gesamte Handlungsspektrum eines Babys auf das Management, wirken einige Aspekte erst einmal hinderlich für den Erfolg von Unternehmen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber: Gerade in diesen vermeintlich negativen Eigenschaften steckt oft ungenutztes Potenzial:
- Hilflosigkeit? Die Fähigkeit, Hilfe anzunehmen und um Unterstützung zu bitten, entlastet und fördert Arbeitnehmende, eigene Fähigkeiten weiterzuentwickeln und damit zum Unternehmenserfolg beizutragen.
- Abhängigkeit? Vertrauen statt Kontrollwahn trägt zu einer besseren Beziehung zwischen Führungskräften und Arbeitnehmenden bei.
- Unreife? Statt von Anfang an Perfektion zu erwarten, bedeutet gute Führung, ein Umfeld zu schaffen, das gemeinsames Lernen aus Fehlern möglich macht.

4. Das Babyprinzip als evolutionäres Prinzip
Babys entwickeln sich trotz oder gerade wegen dieser Eigenschaften rasant. Also könnte das Management von ihnen lernen:
Wachstum geschieht nicht trotz – sondern gerade durch Unvollkommenheit.
Statt von allen Seiten Perfektion zu erwarten, sollten mehr Unternehmen einen Managementstil fördern, der auf Entwicklung, Fehlerfreundlichkeit und Vertrauen setzt – so wie man Babys in allen Bereichen Raum gibt, zu wachsen.
Fazit
Wer den Mut hat, von Babys zu lernen, muss bereit sein, Unsicherheit, Emotionen und Unfertigkeit nicht nur zu tolerieren, sondern als Quelle für Innovation, Kreativität und echte Menschlichkeit zu begreifen.
Illustration: Titelbild von Claudia Meitert; Infografik: Natalie Hartmann