Babys als Vorbilder für modernes Leadership: Sie lehren uns emotionale Intelligenz, agiles Denken und die Kunst der klaren Kommunikation. Das Sachbuch „Das Babyprinzip“ aus dem Vahlen-Verlag zeigt, wie wir diese intuitiven Fähigkeiten ins Berufsleben übertragen können. Ein kleiner Vorgeschmack:
1. Netzwerk ist Trumpf
Babys strahlen in den ersten Monaten alle an, die nett zu ihnen sind. So bauen sie intuitiv ein Netzwerk von Bezugspersonen auf. In einer Welt, in der die Eltern jederzeit einem Säbelzahntiger, Bären oder Wolf zum Opfer fallen konnten, war das die einzige Chance, zu überleben. Heute ist das anders, aber die Evolution hat das noch nicht mitbekommen und Babys netzwerken immer noch durch Lächeln.
In die Arbeitswelt übertragen geht es um „Netzwerkpflege“. Wir brauchen sie, um in der Businesswelt auf einen grünen Zweig zu kommen. Wer sich mit Menschen umgibt, die die gleichen Werte und Umgangsformen teilen, schafft sich eine Art Komfortzone. Die bietet in schwierigen Zeiten Rückendeckung und Halt. In guten Zeiten kann sie gute Ideen und Synergien hervorbringen. Also: Schaffen Sie sich schon jetzt ein sicheres Netzwerk für gute und für schlechte Tage!
2. Sei, wer du bist:
Babys sind authentisch. Sie können weder „Pokerface“ noch lügen. Von Babys erwartet man allerdings auch noch nicht „die Fassung zu wahren“ oder „angemessen zu reagieren“, wie es im Erwachsenen- und vor allen Dingen im Berufsleben der Fall ist. Trotzdem: Die eigenen Gefühle beständig zu unterdrücken, tut im Erwachsenenleben nicht gut – auch und gerade dann nicht, wenn wir eine Führungsrolle einnehmen. Antworten Sie doch einfach einmal ehrlich auf die Frage „Wie geht’s dir?“ Und dann? Halten Sie es mit Ruth Cohn, eine der einflussreichsten Vertreterinnen der humanistischen Psychologie, und praktizieren Sie „selektive Authentizität“: nicht alles sagen und nicht alles zeigen, was in uns vorgeht. Aber das das, was wir preisgeben, ist echt.
3. Egoismus ist gut:
Eltern wissen: Babys sind hemmungslose Egoisten. Sie fordern viel, „sofort“ und zur vollen Zufriedenheit, sonst drohen Geschrei, blanke Nerven und schlaflose Nächte. Zu Babys Verteidigung sei gesagt: Sie haben keine andere Wahl. Wer immer lieb ist und nicht auf sich aufmerksam macht, wird später gewickelt oder gefüttert, bekommt zu kalten Brei oder zu wenige Kuscheleinheiten.
In der Arbeitswelt kommt es viel zu oft vor, dass wir Dinge einfach hinnehmen. Ergebnis: Überarbeitung, Frust, Stress, Fehler, Kündigungslust, scheiternde Projekte.
Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Babys, stehen Sie für sich ein: „Ich brauche mehr Zeit.“ / „Mein Budget ist zu klein.“ / „Ich brauche ein größeres Team.“ / “Nein, ich kann diese Zusatzaufgabe nicht übernehmen.“
In einer wertschätzenden Arbeitsumgebung sollte das kein Problem sein. In einer weniger unterstützenden Umgebung ist es umso wichtiger, sich Gehör zu verschaffen.
4. Emotionen gehören zum Job:
Babys zeigen ihre Emotionen, wie sie gerade kommen; sie können gar nicht anders.
Als Erwachsene sind wir sozialisiert und wissen uns „zu benehmen“. Wir bleiben allerdings ein Leben lang zutiefst emotionale Wesen und geben unsere Emotionen nicht am Werkstor ab.
Lassen Sie Ihre eigenen Emotionen und die der Mitarbeitenden zu. So können Sie das Arbeitsklima verbessern und die Motivation steigern. Ein offener Umgang mit Gefühlen beeinflusst auch, wie loyal Mitarbeitende einer Firma gegenüber sind. Wer die Emotionen seines Teams versteht und gut verarbeitet, kann also für Top-Ergebnisse sorgen.
5. Kooperation statt Hierarchie
Der dänische Familientherapeut Jesper Juul argumentiert, dass Babys und Kinder von Natur aus den Wunsch haben, zu kooperieren. Sie möchten in Harmonie mit ihrer Umgebung interagieren und sich in die Gemeinschaft einbringen. Dahinter stecke ein Bedürfnis nach Sicherheit, Liebe und Zugehörigkeit. Genau wie die Emotionen, behalten wir diesen Wunsch ein Leben lang bei, aber er wird uns oft durch autoritäre Eltern, Frontalunterricht und starre Hierarchien ausgetrieben. Wer in toxischen, wettbewerbsorientierten Umfeldern weiterkommen will, muss Ellenbogen zeigen, Kolleg:innen übertrumpfen und vermeintliche Konkurrent:innen ausstechen. In dieser Atmosphäre ist für innovative, kreative Ideen kein Raum. Begegnen Sie als Führungskraft Ihren Mitarbeitenden auf Augenhöhe, schaffen Sie temporäre Hierarchien, je nach dem, wessen Skills Set gerade am stärksten gefragt ist. Fördern Sie die natürliche Neigung zur Kooperation, indem Sie eine unterstützende und respektvolle Umgebung schaffen, in der sich alle frei ausdrücken können.
6. Learning by Doing „rules“:
Nein, man braucht nicht für alles ein Diplom oder Zertifikat. Babys machen einfach. Sie robben erst auf dem Bauch herum, beginnen irgendwann zu krabbeln und dann zu laufen. Sie stochern mit dem Löffel im Essen herum und hinterlassen ein Chaos, aber irgendwann landet eine Gewisse Menge an Essen tatsächlich im Mund statt auf dem Boden oder im Auge.
Viele Mitarbeiter:innen bringen zwar kein Zertifikat für eine Fähigkeit mit, dafür aber jahrelange Erfahrung. Andere haben eine Leidenschaft für ein Thema und sind Autodidakten. Manager:innen wären schlecht beraten, „informell“ erworbene Fähigkeiten beiseite zu wischen, weil kein Stempel drauf ist: Schauen Sie sich um, was Ihr Team kann, nutzen Sie vorhandene Kenntnisse, egal woher sie kommen und ermutigen Sie Ihre Leute „einfach mal zu machen“. Der eine oder die andere wird dabei „laufen lernen“.
7. Worte sind nicht alles:
Babys werden nonverbal „geliefert“. Der nonverbale Zauberkasten hält allerdings eine ganze Menge Gesten und Mimik bereit, die ihnen helfen zu kommunizieren, was sie brauchen und wie sie fühlen. Eltern müssen dann lernen, diese Signale zu lesen. Dieser Zauberkasten bleibt uns das ganze Leben lang erhalten, und Führungskräfte tun gut daran,
1) ihre Antennen feinzutunen und die nonverbalen Signale ihrer Mitarbeitenden zu beachten: Wenn z.B. die neue Mitarbeitende unbedingt eine Rolle im Projekt übernehmen möchte, sich aber noch nicht traut, das anzusprechen. Ihre nonverbalen Signale sprechen Bände: Sie gibt sich besonders viel Mühe, arbeitet Ideen aus, bleibt länger, drückt sich in der Kaffee-Ecke herum, wenn die richtigen Leute gerade dort sind, um Gelegenheiten zu schaffen…
2) selbst nonverbale Signale auszusenden, die das Betriebsklima verbessern: Das kann etwas so Einfaches sein, wie ein freundliches Gesicht und eine offene Bürotür; oder die Tatsache, mit dem Rad zu kommen (wenn möglich), obwohl man sich einen Porsche leisten kann…
8. Ehrlich arbeitet am besten:
Babys lassen uns jederzeit und ungefiltert genau wissen, wie sie sich fühlen. Dabei ist es ihnen herzlich egal, ja nicht einmal bewusst, was wir davon halten. Sie spielen keine Rolle, sie sind authentisch. Und erreichen mit dieser Direktheit, dass ihre Eltern alles tun, um sie zufriedenzustellen – ein sehr erfolgreiches Konzept der Evolution.
Übertragen auf die Arbeitswelt heißt das nicht, dass wir ab sofort laut denken und schonungslos allen die Meinung sagen. Aber: Dinge schönreden bringt niemandem etwas.
Das Baby-Prinzip der Ehrlichkeit in Form von Truth Speaking ermutigt uns, klar und authentisch zu kommunizieren. Seien sie ehrlich, aber sprechen Sie dabei respektvoll und unterstützend. So schaffen Sie eine vertrauensvolle Atmosphäre und alle im Team können wachsen und sich entfalten.
9. Der Moment zählt:
Babys leben im Hier und Jetzt und genießen jeden Moment. Diese Fähigkeit aus der Babyzeit sollten wir dringend wiedergewinnen, denn sie kann ungemein Stress abbauend wirken. Zum Beispiel bei ungeliebten Routineaufgaben: Statt zu denken: „Oh Gott, nun muss ich das wieder machen“, einfach mal in den Babymodus schalten, loslegen und genießen, dass die Aufgabe zwar vielleicht langweilig, aber deshalb auch nicht stressig ist. Man wird nicht getrieben, kommt zu einem Kaffee, muss nichts und niemanden koordinieren und wahrscheinlich geht auch nichts schief. Es ist ein Moment zum Durchatmen und Auftanken. Genießen Sie ihn.
10. Scheitern ist das halbe Leben:
Babys haben ein angeborenes „Growth Mindset“. Darunter versteht man die Überzeugung, dass persönliche Fähigkeiten und Intelligenz durch Anstrengung, harte Arbeit und Lernen entwickelt werden können. Babys und zeigen daher oft eine Geduld und Ausdauer, die die vieler Erwachsener weit übertrifft. Es ist heute schon 50-mal dem Hinterteil gelandet? Es wird sich trotzdem weiter an Möbeln hochziehen und hinstellen und damit am Ende Recht behalten.
Lernen, scheitern und weitermachen sind tief in uns verankert. Wir müssen uns nur daran erinnern. Sehen Sie Scheitern mit den Augen eines Babys! Und wenn andere scheitern: Geben Sie positives Feedback und machen Sie Mut. Probieren Sie es im Unternehmen mal mit „Fuck-Up-Runden“, in denen sich Mitarbeiter gegenseitig von gescheiterten Projekten erzählen – und motivieren, nicht aufzugeben.
Also: Babymodus auf „on“
Die Eigenschaften und Verhaltensweisen von Babys bieten zahlreiche wertvolle Lektionen für Führungskräfte. Ihre Authentizität, der unerschütterliche Glaube und Arbeit an sich selbst, ihre Fähigkeit, Emotionen zu zeigen, sowie ihre natürliche Neigung zur Kooperation sind Fähigkeiten, die in der Arbeitswelt oft unterschätzt werden, aber für ein erfolgreiches Management sowie eine vertrauensvolle und produktive Arbeitsatmosphäre unerlässlich sind. Führungskräfte, die den „Babymodus anschalten“, können nicht nur ihre eigene Arbeitsweise verbessern, sondern auch das Potenzial ihres Teams entfalten.
„Das Baby-Prinzip“ erläutert die genannten Punkte und darüber hinaus viele weitere detailliert und wissenschaftlich fundiert.